#12: Durch Atmen eine Pause von sich selbst nehmen
Tausende von Gedanken schwirren uns täglich im Kopf umher. Es schadet daher nicht, mal einen Moment innezuhalten, und eine Pause von sich selbst zu nehmen.
Und zwar indem wir atmen. Atmen ist wie der Spiegel unseres Wohlbefindens. Bei Stress atmen wir flach und hektisch. Wenn wir aber tief durchatmen, machen wir bewusst das Gegenteil. Dadurch beruhigt sich unser Körper.
Wir haben mit Sarah Desai – Autorin, Coach und Podcasterin – über Meditation und Atmung gesprochen und spannende Insights für euch.
Inwiefern verschafft uns Atmen Zeit?
Führen wir uns vor Augen, dass zwischen einem Reiz und einer Reaktion ein Raum liegt, indem wir unsere Reaktion wählen können. Darin liegt unsere Freiheit. Wir müssen allerdings erstmal erkennen, dass wir diese Freiheit überhaupt haben, dass dieser Raum zwischen Reiz und Reaktion existiert. In den meisten Fällen reagieren wir instinktiv, basierend auf unseren Werten. Die Entscheidung ist dann aber nicht frei – und nicht immer eine Reaktion, die gut für uns ist. Wir können es nicht verhindern zu werten. Wir können aber die Phase der Wertung, also den Raum zwischen Reiz und Reaktion verlängern und unsere Werte hinterfragen und bestenfalls eine Reaktion wählen, die uns gut tut. Atmen verlängert diesen Zeitraum.
Sollen wir also nicht werten? Kein Wertesystem haben?
Grundsätzlich sind viele Dinge, die uns passieren neutrale Ereignisse. Wie wir diese Ereignisse werten und interpretieren bestimmt, wie wir uns damit fühlen. Oft glauben wir, dass die Geschehnisse, die uns widerfahren dafür zuständig sind, wie wir uns fühlen, wie glücklich wir sind. In Wirklichkeit haben diese Ereignisse nur einen geringen Einfluss. Viel wichtiger ist es, wie wir diese Ereignisse sehen und werten.
Zu werten ist jedoch nichts Schlechtes. Wenn wir werten, schaffen wir Interessen und Leidenschaften. Werten wir nicht, sind wir leer. Es geht viel mehr darum, immer wieder kurz innezuhalten und zu beobachten: Werten wir zu unseren Gunsten? Werten wir der Situation angemessen oder haben sich alte Muster eingeschlichen? Wir werten ja schließlich auf Basis bisheriger Erfahrungen. Das ist nämlich unser Referenzrahmen. Wir neigen dazu, negative Erfahrung als Referenzwerte zu verwenden. Dies ist ein Schutzmechanismus, um zu vermeiden, dass sich unangenehme Situationen aus unserem Leben wiederholen. Wir errichten oft schon eine gedankliche Schutzmauer, wenn wir vermuten, dass eine Situation einer bereits bekannten, unangenehmen Erfahrung auch nur entfernt ähneln könnte. Dies erzeugt andauernden Stress in uns.
Was kann man gegen diese Stresssituationen tun?
Meditation ist ein Game-Changer. In der Hitze des Gefechts können wir uns zwar nicht einfach aufs Meditationskissen setzen, um das Problem zu beseitigen. Es hilft aber, im Nachhinein zu reflektieren. Genau das passiert, während wir meditieren: Wir beobachten unsere Gedanken. Fälschlicherweise glauben viele Leute, zu meditieren heißt, nicht zu denken.
Es ist gar nicht möglich, nichts zu denken. Beim Meditieren denken wir sehr wohl. Wir beobachten lediglich alle unsere Gedanken, ohne diese zu bewerten. Dies ist am Anfang alles andere als einfach. Also schau dir zunächst mal an, wie du wertest. Werde dir bewusst, was da in deinem Kopf so vor sich geht.
Kann man all die tausenden Gedanken, die einem im Kopf herumschwirren, überhaupt beobachten?
Nein. Und das muss auch nicht sein und es würde uns wohl auch überfordern. Es ist nicht jeder Gedanke, ein bewusster Gedanke. Wir besitzen eine Art natürlichen Filter. Wenn wir meditieren, geht es in erster Linie darum zu sitzen und zu schauen: Welcher Gedanke kommt als nächstes? Was fühlen wir bei diesem Gedanken? Manchmal kommen traurige Gedanken, manchmal fröhliche Gedanken und manchmal sind unsere Gedanken einfach komisch und wirr.
Gedanken kommen und gehen – wir bleiben.
Wir machen sozusagen eine Gedankeninventur und beobachten, wie unser Geist funktioniert. Macht man das regelmäßig, merkt man, wie auf einmal alles automatisiert abläuft. Es werden immer wieder neue Gedanken auftauchen und vorüberziehen. Wie Wolken am Himmel. Doch wir haben die Freiheit, nicht auf diese Gedanken reagieren zu müssen. Dann sehen wir es deutlich: Wir sind nicht unsere Gedanken. Diese kommen und gehen, wir sitzen aber nach wie vor auf unserem Meditationskissen.